Cradle to Cradle® in der gebauten Umwelt – Wie können wir gut statt bloß weniger schlecht bauen?

Alexa Bresan

Ein Gebäude wie ein Baum. Eine Stadt wie ein Wald.“ Dieses Zitat von Michael Braungart & William McDonough, den beiden Gründern des Cradle to Cradle® (C2C) Designkonzepts, beschreibt diese Vision gut. Sie propagiert die Idee, dass die Menschheit sich und ihre Gebäude nicht separat von der Natur sehen sollte. C2C als Ansatz der Kreislaufwirtschaft, bietet ein Rahmenwerk für das Design von Produkten und Gebäuden, deren Materialien, im Gegensatz zum Take-Make-Waste-Modell der linearen Wirtschaft, sicher in geschlossenen Kreisläufen zirkulieren. Der Schwerpunkt liegt darauf, Ressourcen auf ihrem Qualitätsniveau zu halten, um das Konzept von Abfall abzuschaffen.

 

Öko-Effektivität für einen positiven ökologischen Fußabdruck

Die Forschung zeigt, dass wir uns an einem Wendepunkt befinden, an welchem von Menschen hergestellte Produkte zum ersten Mal mehr Masse haben als die gesamte lebende Biomasse. Gleichzeitig sind allerdings nur 8,6 % der Ressourcen zirkulär, so der Circularity Gap Report der Circle Economy. Da es sich bei der Bauindustrie um einen sehr material- und abfallintensiven Sektor handelt, spielt sie eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung nicht-zirkulärer Masse. Darüber hinaus führt die Luftverschmutzung in Innenräumen, die durch die Entgasung von karzinogenen, mutagenen, reproduktionstoxischen (CMR) Materialien entsteht, welche häufig in Gebäuden verwendet werden, zu Gesundheitsproblemen wie etwa der Zunahme von Allergien bei Kindern.

Die Notwendigkeit, die Bauindustrie zu verändern, um Lösungen für diese Probleme zu finden, ist offensichtlich. Nachhaltiges Bauen befasst sich jedoch hauptsächlich mit ökologischen und sozialen Problemen, wie etwa der Reduzierung und Minimierung von Abfall, Verschmutzung und Ressourcenverbrauch. Diese Ansätze im Bereich Öko-Effizienz konzentrieren sich darauf, den negativen Fußabdruck der Menschheit auf der Erde zu verkleinern. Jedoch bieten diese keine langfristige Lösung.

In der Natur hingegen finden wir stets eher Effektivität als Effizienz. Zum Beispiel produziert ein Kirschbaum jedes Jahr tausende von Blüten, um am Ende nur einen oder zwei erfolgreiche Samen zu haben. Dies ist jedoch nicht problematisch, da der „Abfall“ als Nährstoff für den Boden und die Tierwelt dient. Zudem reinigt der Kirschbaum während dieses Prozesses auch Luft und Wasser.

Dabei kommt es zur Frage, wie wir Gebäude so umgestalten können, dass sie eine ähnliche Effektivität wie die von Kirschbäumen haben. Wie können sie so gestaltet werden, dass sie nicht nur klimaneutral oder weniger schädlich sind, sondern auch einen positiven Beitrag zur Umwelt, zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Menschen, die sie bewohnen, leisten? C2C stellt die meisten der vorherrschenden Annahmen über nachhaltiges Bauen und den Betrieb von Gebäuden in Frage. Dieser Ansatz versucht, das Problem durch Öko-Effektivität an der Wurzel zu packen.

Beispiele aus der Praxis zeigen, dass Gebäude, die nach den Cradle to Cradle-Prinzipien gebaut wurden, konventionellen Gebäuden während des gesamten Kohlenstoff-Lebenszyklus überlegen sind. So spart zum Beispiel das Vorzeigeprojekt „The Cradle“ in Düsseldorf 30% der Kohlenstoffemissionen durch gesunde Materialien und öko-effektiven Betrieb. Darüber hinaus können Cradle-to-Cradle-Gebäude den Zustand ihrer Umgebung deutlich verbessern. Das Moringa Hamburg zum Beispiel produziert Sauerstoff, reduziert Schadstoffe und gleicht das Klima der Hafenstadt aus, in der es steht. Der Baustoffpass stellt ein Hilfsmittel dar, welches ermöglicht alle Materialien und ihren Standort im Gebäude zu verfolgen. Sollten Materialien in der Zukunft als gefährlich identifiziert werden, wie es bei Asbest der Fall war, können sie leichter entnommen werden. Zudem wird dadurch auch die „embodied carbon intensity“ während der Recyclingphase reduziert, indem der Rückbau erleichtert wird. Wenn ein Gebäude zum Beispiel modular aufgebaut ist, kann die Zerlegung zudem staubfrei erfolgen. So werden nachteilige Auswirkungen bereits in der Designphase abgewendet.

 

Der biologische und der technische Kreislauf – Design mit dem Lebenszyklus im Hinterkopf

Das C2C-Designkonzept geht davon aus, dass Materialien einem von zwei verschiedenen Kreisläufen angehören: dem biologischen und dem technischen Kreislauf.
Die Teile von Gebäuden, die auf natürliche Weise wieder in die Umwelt gelangen, sollten den Prinzipien des biologischen Kreislaufs entsprechen. Sie sollten aus erneuerbaren Materialien wie Holz, Hanf oder Baumwolle bestehen. Indem sie Samen oder wichtige Mikroorganismen anstelle von Mikroplastik enthalten, können sie beim biologischen Abbau sogar einen positiven Beitrag für die Umwelt leisten.

Der technische Kreislauf ist in der Bauindustrie von noch größerer Bedeutung, da die meisten Elemente in einem Gebäude während ihrer Nutzung nicht auf natürliche Weise in das biologische System gelangen werden. Innerhalb des technischen Kreislaufs werden erneuerbare oder nicht erneuerbare Ressourcen wie Glas, Metall und Kunststoff als Nährstoffe in industriellen Kreisläufen gehalten. Sie müssen für den Abbau ausgelegt sein, damit die wertvollen Materialien nach ihrer Verwendung zerlegt werden können. So können sie auf eine Weise recycelt werden, die ihre Qualität bewahrt oder sogar verbessert (Upcycling).  Deshalb ersetzen Praktiken wie Verschrauben, Verstiften oder Klemmen das Kleben oder Schweißen.

 

Klicken Sie hier für sas Schmetterlingsdiagramm der Kreislaufwirtschaft mit der Unterteilung in den biologischen- und den technischen Kreislauf, von EPEA und der Ellen MacArthur Foundation

Aber wie? Die Prinzipien des Cradle to Cradle® Designs 

Die ganzheitliche C2C-Vision, Gebäude zu entwerfen, die Sauerstoff produzieren, Kohlenstoff und Stickstoff binden und Wasser destillieren wie Bäume, mag einschüchternd klingen. Deshalb gibt es einen evolutionären Ansatz, der uns bei der Gestaltung sicherer und kreislauffähiger Gebäude in Übereinstimmung mit den 10 C2C-Grundsatzkriterien und 9 Implementierungskriterien leitet:

 

Die Grundsatzkriterien:

  1. Geben Sie Ihre Intentionen an
  2. Definition der Materialien und derer beabsichtigter Verwendungspfade
  3. Integration biologischer Nährstoffe
  4. Verbesserung der Luftqualität
  5. Integration erneuerbarer Energie
  6. Aktive Unterstützung der Biodiversität
  7. Konzeptuelle Vielfalt mit Innovation zelebrieren
  8. Wertsteigerung und Verbesserung der Diversität durch Innovation
  9. Wertsteigerung und Qualitätsverbesserung für Stakeholder
  10. Wohlbefinden und Vergnügen der Stakeholder verbessern

 

Die Implementierungskriterien:

  1. Durchführung einer Bestandsaufnahme
  2. Integration von Innovationsfinanzierung
  3. Integration diverser C2C-erfahrener Unternehmer
  4. Integration von Systemen und Anwendungstools
  5. Integration von verschiedenen Anwendungen mit Funktionen, die C2C-Kriterien verwenden
  6. Integration von natürlichem Licht mit innovativem Kunstlicht
  7. Integration von erneuerbar betriebener, gesunder Mobilität
  8. Schützen der Bewohner vor Umweltgefahren
  9. Berücksichtigung von ästhetischen Meinungen der Interessengruppen

 

Einen tieferen Blick auf jedes dieser Prinzipien würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber wir können die folgenden Erkenntnisse berücksichtigen:

Eine zentrale Maxime ist, dass wir uns von bekannten Übeltätern „befreien“ müssen. Dies bezieht sich auf die Anforderung, dass alle verwendeten Materialien keine schädlichen Inhaltsstoffe auf chemischer Ebene enthalten dürfen. Das Cradle to Cradle® Products Innovation Institute aktualisiert regelmäßig die öffentlich zugängliche Liste dieser „X-Chemikalien„, d.h. Chemikalien, die nicht in Produkten enthalten sein dürfen. Nur wenn diese weggelassen oder durch „gesunde“ Inhaltsstoffe ersetzt werden, können Materialien gefahrlos in den Bio- oder den technischen Kreislauf einfließen.  So enthalten zeitgemäße Lösungen zum Beispiel für Fenster oder Fußböden oft PVC, einschließlich giftiger Weichmacher oder Schwermetalle. Dies verhindert eine angemessene Zirkulation im technischen Kreislauf.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des C2C-Designs ist die Berücksichtigung des Umfelds. Es muss zum Beispiel der Standort des Gebäudes und die Art der Nutzung betrachtet werden, um sicherzustellen, dass das Gebäude im Einklang mit seiner Umgebung entworfen wird.

 

Bei Longevity Partners haben wir die Cradle to Cradle®-Prinzipien für die gebaute Umwelt verinnerlicht und helfen Architekten, Gebäudeeigentümern und Managern, die Nachhaltigkeit von Bauprojekten zu erhöhen und Gebäude im Betrieb zu optimieren. Mit unserer Servicelinie Circular Economy gehen wir gegen Ressourcenknappheit und Klimarisiken vor, indem wir uns auf die Schaffung eines positiven ökologischen Fußabdrucks konzentrieren.

Wir müssen jetzt handeln und von Öko-Effizienz zur Öko-Effektivität übergehen. Gemeinsam können wir eine Zukunft zu schaffen, in der Gebäude tatsächlich wie Bäume und Städte wie Wälder sind.

 

 

Referenzen:

 

McDonough, W., & Braungart, M. (2010). Cradle to cradle: Remaking the way we make things. North Point Press.

https://circulareconomy.europa.eu/platform/sites/default/files/a_future-proof_built_environment.pdf

http://www.c2c-centre.com/sites/default/files/McDonough%20-%20Towards%20a%20sustaining%20architecture%20for%20the%2021st%20century-%20the%20promise%20of%20cradle-to-cradle%20design_0.pdf

https://pubs.acs.org/doi/pdf/10.1021/es0326322

https://www.c2cplatform.tw/upload/file/Cradle%20to%20Cradle%20Criteria%20for%20the%20built%20environmen.pdf

https://www.circularity-gap.world/2021

https://www.researchgate.net/publication/313872330_Circular_economy_in_construction_current_awareness_challenges_and_enablers

https://www.the-cradle.de/

Klima-Notfall-Design-Leitfaden | LETI

https://moringa.eco/ueber-uns

https://moringa.eco/unsere-werte

https://www.landmarken-ag.de/projekte/moringa/

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